Einleitung
Liebe Pfarrbevölkerung von St. Marein, St. Veit
i. d. G., Noreia und Pöllau!
Erinnern Sie sich noch an den dritten Fastensonntag, es
war der 18. März? Nein, aber vielleicht an die Worte im Evangelium,
in dem der Besitzer des Weingartens seinen Weingärtner beauftragt,
den Feigenbaum, der schon drei Jahre keine Früchte bringt, umzuhauen,
denn was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen.
Ich muss ehrlich sagen, dass es mir keine Ruhe lässt,
ja weil es auch viele aus unserem Pfarrverband sehr bewegt und auch offene
Fragen zurückgelassen hat. Die offenen Fragen waren vor allem: Was
heißt: "Früchte bringen" oder "was erwartet
der Pfarrer von uns?" Mein Antwortversuch, den ich aus dem Evangelium
bieten kann, ist folgender. Ich bin zutiefst überzeugt, dass wir
Gutes tun, aber so wie der Pfarrer von Ars mahnt, sind wir auch entschieden
gefordert, unser Tun radikal in Frage zu stellen: "Wenn Sie so weitermachen,
werden Sie dem lieben Gott nichts als die entkräfteten Reste eines
Herzens darbringen, das sich für Interessen verbraucht hat, die nicht
die seinen waren." Verzeihen Sie mir, aber ich stelle wirklich radikal
unser Tun in Frage, bitte seien Sie mir nicht böse, denn wenn ich
es nicht tue, würde uns wohl am Jüngsten Tag diese Frage gestellt
werden, wenn es darum geht, dem Herrn Rechenschaft zu geben.
Weil wir, so hört man immer wieder, niemanden umgebracht
haben, nichts gestohlen haben, so meinen wir, es würde für die
Gerechtigkeit vor Gott reichen; doch verunsichert uns das Evangelium ständig
und will uns aus unserer teuflischen Selbstge-rechtigkeit herausreißen.
Lesen Sie nach, von Marta und Maria, im Lukasevangelium: Jesus kommt zu
ihnen und Maria sitzt ihm zu Füßen und hört ihm zu und
Marta bedient ihn und sie will auch Jesus dazu bewegen, Maria anzuschaffen,
dass sie ihr helfen solle. Die Antwort Jesu: "Marta, Marta, du machst
dir viele Sorgen, Maria hat das Bessere gewählt" (Lk 10,38ff).
Ist es nicht auch im Leben so? Nur einfach jemandem zu helfen ist zu wenig,
es wäre ein kurzes vorheriges Hinhören wertvoller und zielbringender.
In diesen Tagen durfte ich in unserer Pfarre einen Jonas
taufen. In der Taufvorbereitung sprachen wir auch über diesen Propheten
des Alten Testamentes und seinen Auftrag von Gott, der Stadt Ninive die
Umkehr zu predigen: "Noch 40 Tage, und Ninive ist zerstört!"
Man braucht heute kein großer Prophet zu sein, um festzustellen,
nicht Gott, sondern wir könnten uns alle bald zerstört haben!
Wie heißt es weiter: Die Leute von Ninive glaubten Gott... und kehrten
um.
Ja, es kann und wird auch gut ausgehen, besonders dort,
wo Menschen umkehren, wie ich es in unserem Pfarrverband schon wunderbar
erlebendurfte: Eine Frau erlebt nach einer Beichte, dass sie von ihrer
zwanzigjährigen Schuppenflechte geheilt wird, Menschen erleben tiefen
Frieden und reichen Segen, indem sie zur Ordnung Gottes wieder zurückkehren,
die Augen vor der Not des andern nicht verschließen, den Sonntag
heiligen, den Sport, der sich zum Götzen entwickelt hat, entlarven,
die vorehelichen Beziehungen aufgeben, sich um ihren und den Glauben anderer
mühen... Ruhig sein lässt mich das Evangelium vom 18. März
auch deswegen nicht, weil es die Aufgabe des Weingärtners, sprich
des Priesters ist, alles zu tun, damit doch noch Früchte hervorgebracht
werden. Meine Antwort ist vorerst die Möglichkeit der Sühnesamstage,
siehe Termine, und im Herbst werde ich vermehrt Glaubenslehren (Katechesen)
und Umkehrtage anbieten und einstweilen, wie der Weingärtner, für
Sie beim Herrn eintreten: "Herr lass ihn dieses Jahr noch stehen;
ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen, vielleicht
trägt er doch noch Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen"
(Lk 13,9).
Ihr Weingärtner
Josef Kranzl
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